Faszientraining – mehr als nur Rollen

Faszientraining – mehr als nur Rollen
5. Mai 2024 Allgemein hopefactory

Inhalt

  • Faszientraining

    Faszientraining

    Über viele Jahre und Jahrzehnte fiel den Faszien keine Beachtung bei der Betrachtung des Muskel-Skelett-Systems zu. Zwar war die Existenz dieses kollagenen und elastisch-faserigen Bindegewebes schon lange bekannt, doch erst der moderne medizinisch-technische Fortschritt erkannte, dass Faszien ein breit gefächertes Aufgabenspektrum verfolgen:

    Unser fasziales Gewebe durchzieht den gesamten Körper. Es umschließt Muskeln und Organe, Drüsen, Nervenbahnen und Gefäße. Die Faszien

    • erfüllen mechanische Aufgaben und sind an der Kraftübertragung beteiligt,
    • umhüllen, polstern, schützen, stützen und formen einzelne Muskeln und Muskelgruppen,
    • speichern Fett, Wasser und weitere Substanzen,
    • dienen inneren Organen als Aufhängung bzw. Einbettung
    • und sind nicht unwesentlich an verschiedenen Stoffwechselvorgängen, z. B. Immunfunktionen und Wundheilung, beteiligt.

    Doch die Strukturen der Faszien sind äußerst sensibel. Bei zu wenig Bewegung verkleben die Faszien, bei Überlastung kommt es zu Verletzungen. Einseitige Beanspruchung führt zu Dysfunktionen, falsche Ernährung stört den Stoffwechsel. Die Folgen: funktionelle Beeinträchtigungen und Schmerzen.

    Nach dem Prinzip „Use it or lose it!“ bestimmt die Art und Weise, wie wir unsere Faszien beanspruchen, inwieweit das fasziale Gewebe verhärtet, verklebt und in seiner Struktur verändert wird. Faszien werden bei jeder Bewegungsausführung involviert und sind somit nicht losgelöst von der Muskulatur trainierbar. Doch über unterschiedliche Ausführungen derselben Übung lässt sich der Anteil der Muskel- oder Faszienarbeit beeinflussen: Gehen Sie eine Treppe laut polternd hinauf, so sind vermehrt Muskeln aktiv. Nehmen Sie die Stufen jedoch leise und federnd, so beanspruchen Sie vornehmlich Ihre Faszien.

    Das Faszientraining nach Schleip umfasst folglich nicht allein das inzwischen weit bekannte Training mit Faszienrollen und Co. – sondern besteht aus vier Prinzipien:

    • Mobility (Dehnen)
    • Katapult-Effekt (Federn)
    • Körperwahrnehmung (Verfeinern)
    • Self-Myofascial-Release (Beleben)


    Mobilisation im Faszientraining

    Das Mobilisationstraining basiert hauptsächlich auf dynamischen Dehnübungen, die zu Kombinationen aneinandergereiht und mit Hilfe fließender Übergänge miteinander verbunden werden. Es handelt sich dabei um eine federnde Schwungymnastik, die das gesamte Muskel-Faszien-System dank einer langsamen, bewussten Ausführung dehnt und dadurch

    • Muskulatur und Faszien erwärmt
    • Muskeleigenreflexe auslöst
    • die Muskelspindel aktiv hält
    • muskuläre Dysbalancen vermeidet oder ausgleicht
    • die Beweglichkeit und Bewegungsausführung optimiert
    • eine dynamische Koordination trainiert
    • die neuronale Aktivierung des Körpers schult


    Katapult-Effekt – die elastische Rückfederung der Faszien

    Wenn wir gehen, laufen, hüpfen oder werfen, nutzen wir eine Bewegungsenergie, die zu einem erheblichen Teil aus der dynamischen Federung unserer Faszien erzeugt wird. Diese dynamische Federung bezeichnen wir als den sogenannten „Katapult-Effekt“ – ein Effekt, den die kollagenen, elastischen Fasern der Faszien ermöglichen.

    Faszien können folglich Energie speichern und katapultartig freigeben. Während sich die Muskelfasern bei federnden und geschmeidigen Bewegungen kaum verändern, variieren die Faszien während des Bewegungsablaufes deutlich in ihrer Länge. Sie tragen also wesentlich zur Bewegung bei.

    Um den Katapult-Effekt zu trainieren, bringen wir unseren Körper in eine Vorspannung, um dann schwungvoll in die Endbewegung überzugehen. Dadurch

    • unterstützen wir die Muskulatur bei der Kraftentfaltung
    • sparen wir Muskelkraft ein
    • erhöhen wir die elastische Speicherkapazität
    • verbessern wir unsere Bewegungsamplitude


    Körperwahrnehmung im Faszientraining

    Die Körperwahrnehmung beschreibt das Zusammenspiel zwischen Reizaufnahme, Reizverarbeitung und daraus entstehenden Bewegungen. Das sensomotorische Training spricht im Speziellen Rezeptoren an, die sich in der Muskulatur und in den Gelenken befinden und dem Gehirn melden, welche Stellung das Gelenk im Augenblick einnimmt. Sie übermitteln diverse Reize, z. B. Druck, Zug, Dehnung, Vibration und Schmerz, wie auch die Lage im Raum. Die oberflächliche Faszie umfasst rund 80 % der freien Nervenendigungen – ihr kommt somit eine große Bedeutung in Bezug auf Bewegungs- und Körperwahrnehmung zu. Das Training der Körperwahrnehmung bewirkt

    • eine verbesserte inter- und intramuskuläre Koordination
    • eine schnellere Reaktionsfähigkeit des Körpers auf unerwartete Bewegungen (Verletzungsprophylaxe)
    • einen Ausgleich muskulärer Dysbalancen


    Self Myofascial Release (SMR) – zu Deutsch: myofasziale Lösetechniken mit Hilfsmitteln

    Schlussendlich folgt der Teil des Faszientrainings, der sich vermutlich der größten Bekanntheit erfreut: das „Ausrollen“ mit Hilfsmitteln. Doch Self-Myofascial-Release (SMR) unterstützt Sie durch unterschiedliche und abwechslungsreiche Methoden darin, Faszien zu lösen bzw. zu manipulieren:

    • durch punktuellen Druck
    • durch rollenden Druck
    • durch Unterdruck
    • durch Vibration

    Ziel ist es,

    • die Gleitfähigkeit der Faszien zu verbessern
    • die tiefensensorische Wahrnehmung anzuregen
    • verklebte Faszienstrukturen zu lösen
    • die Hydration anzuregen

    Wichtig: Welche Technik Sie beim Training oder Zuhause auch anwenden, gehen Sie immer nur bis zum Wohlfühlschmerz. Sie werden das gewünschte Ziel nur dann erreichen, wenn es während der Übung nicht zu Anspannungen oder gar Verkrampfungen kommt.

    Elemente des Faszientrainings fließen in alle meine Kurse ein.

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